David Bowie ist gestorben. Am 10. Januar. Zwei Tage nach seinem 69. Geburtstag. Kurz nach Veröffentlichung seines neuen Albums. An Krebs. Im Kreise der Familie.
Soviel zu den Fakten. Und doch: im Gegensatz zu den meisten, die immer wieder von uns gehen, weil es nun mal dazu gehört, trauere ich diesmal mit.
Meine erste Begegnung mit David Bowies Musik fand in den frühen 1980ern statt. In seiner Pop-Phase. Ich hörte Let’s Dance, sah die Werbung für den Film Furyo – Happy Christmas Mr. Lawrence und wenig später tanzte da dieser seltsam gewandete Mann im Fernsehen zusammen mit Mick Jagger durch einen alten Klassiker von Martha Reeves & the Vandellas.
Das erste Bowie-Album kaufte ich mir mit zwölf. Die Platte hieß Never Let Me Down (1987), wurde von Kritikern zum Tiefpunkt seines Werks erklärt und ging eigentlich auch kommerziell ziemlich daneben. Aber das erfuhr ich erst später. Ich mochte sie. Ich hatte aber auch keine Ahnung, was ich bis dahin verpasst hatte.
Dann kam Tin Machine und mit dem Projekt ein neues Problem, das mir bei David Bowie immer wieder auffallen sollte: ich verstand ihn nicht.
Sich als Musiker eine gewisse Relevanz zu erkämpfen und diese dann auch noch fast vierzig Jahre lang durch alle Epochen, Stile und Moden zu behalten, erfordert einiges. Dafür muss man neugierig bleiben, sich selbst herausfordern, immer wieder in Frage stellen und natürlich auch scheitern. Und wozu? Sich selber zu zitieren und ein erfolgreiches Konzept bis zum bitteren Ende auszumelken, zahlt die Rechnungen doch auch.
Aber Bowie malträtierte mich mit Outside (1995) und Earthling (1997). Doch so wenig ich mit diesen Platten anzufangen wusste, so eindeutig blieb allerdings auch, dass mir der Künstler damit etwas sagen wollte. Das war nicht schlecht, keine plumpe Modeerscheinung – das war Absicht. Ein Versprechen, dass es da etwas zu entdecken gäbe, wenn man nur zuhört, wenn man dieses Musik gewordene Stereogramm nur lange und entspannt genug betrachtet.
Für mich war das damals allerdings zu schwierig. Ich wollte es bequemer haben, abgeholt werden. Und netterweise hatte David Bowie dafür anscheinend auch Verständnis.
Gut, bei Hours… (1999) hätte er mich nicht abholen müssen, ins Formatradio hatte ich mich nicht zurückgezogen – aber Heathen (2002) und Reality (2003), das sagte mir wieder etwas. Und auch danach. Mal mehr, mal weniger.
Solche oder ähnliche Probleme dürften vielen unter Bowies Freizeit- und Gelegenheitshörern bekannt vorkommen. Wollten seine Fans gerne mal eine zeitlang an einem Ort verweilen, zog der unruhige Maestro schon wieder weiter. Eine Tradition, der Bowie bis zu seinem letzten, die Rockmusik fast vollkommen hinter sich lassenden, Album Blackstar treu bleiben sollte. Nein, auf die langsameren unter seinen Zuhörern zu warten, war nie Bowies Stärke.
Geboren wurde David Robert Jones am 8. Januar 1947 in Brixton, Südlondon. Er war das Kind kleinbürgerlicher Eltern, zog von der Stadt in die Vorstadt, machte einen mittleren Schulabschluss, begann mit der Musik, veröffentlichte seine Debüt-Single für Parlophone, musste sich einen Künstlernamen zulegen, weil Davy Jones schon bei den Monkees war, nannte sich kurzzeitig Tom Jones, musste dann aber natürlich auch das ändern. Er wurde zu David Bowie, wechselte zu Deram, veröffentlichte den Laughing Gnome…
Als ich dann endlich selbst im Januar 1975 geboren wurde, saß Bowie gerade mit Carlos Alomar und John Lennon in den New Yorker Electric Lady Studios und nahm Fame auf.
Für Bowie war dieses Lied der Durchbruch in Amerika. Ich wiederum sollte es erst zehn Jahre später zu hören bekommen, als Cover von Duran Duran.
Aber eigentlich kam man auch schon 1975 zu spät. Space Odyssey, Hunky Dory, Ziggy Stardust, Diamond Dogs (inklusive der weg retuschierten Hoden), Lou Reeds Transformer, Mott The Hoople, Iggy & The Stooges? Bowies direkte und indirekte Spuren in Musik- und Popkultur waren schon damals nicht mehr wegzudenken.
Low, Heroes, die Berliner Phase, Iggy Pops Idiot und Lust For Life, Queens Under Pressure, das seltsame Duet mit Bing Crosby hätte man früher/rechtzeitig mitbekommen. Aber gemessen an einem Mann, bei dem sich das Hinterherhinken fast nicht vermeiden ließ, war auch der Einstieg mit Never Let Me Down eine gute Wahl.
Er wird mir fehlen.
David Bowie – Lazarus from Crille Forsberg on Vimeo.